29. Gloriosa

Mahisha pflückt ein paar Blumen und ordnet sie sorgfältig in ihrer Hand zu einem Strauß. Gerade legt sie ihren Kopf etwas schief und schaut ihn sich mit zusammengekniffenen Augen prüfend an. Dann seufzt sie ganz tief, während sie ein eigenwilliges Blümchen tiefer steckt. Unter dem großen Strohhut sieht niemand die feinen Rinnen im staubigen, verschwitzten Gesicht.

Gloriosa-verkleinert

„Hast Du diese Blume schon?“
Lesley ist wie aus dem Nichts gekommen und steht da mit einer Blume in der Hand.
„Lesley, du bist da! Allein schon das du da bist ändert gleich so vieles.“ Mahisha Herz schlägt so laut, dass sie meint, jeder müsste es hören.
Lesley lacht breit und freundlich: „Mal sagen, du siehst mich jetzt:“
Mahisha schaut auf die orange Blume in Lesleys Hand.
„Nein, die muss ich übersehen haben. Schön passt sie rein.“
„Diese Lilie wächst unter den widrigsten Bedingungen, weil sie sich stets zum Licht hochrankt und sie tut das immer an stärkeren, gesunden Pflanzen entlang.“
„Das ist klug von dieser Lilie. Wie ist ihr Name? Vielleicht sollte ich sie kennen, wenn sie so kluge Dinge tut.“
“Darf ich vorstellen: Das ist Gloriosa! Aber du kannst sie auch Ruhmeskrone nennen.“
„Was tut sie, dass sie diesen Namen hat?“
„Sie gehört zur lebenden Schöpfung, die dich erfreut.“
Staunend betrachtet Mahisha die Blume in ihrer Hand: „Hier stehst du und wartest darauf, mich so zu erfreuen? Was für eine unfassbare Liebesverschwendung steht hinter allem!“
„Alles was du so genießt, wird in die Schönheit der ewigen Bestimmung zurückgeführt“, philosophierte Lesley.
„Dann bin ich in die Schönheit der ewigen Bestimmung gekommen…. Ich musste es nur erkennen!“
„Bingo!“
„Jetzt fühle ich es sogar.“
Lesley und Mahisha gehen eine Weile schweigend nebeneinander her. Beobachtet werden sie nur von den neugierigen Meerkatzen, die sich nach einiger Zeit entscheiden mit wildem Gezeter durch die Bäume zu toben.
Lesley lacht und ruft ihnen etwas zu. Dann fragt er unvermittelt:
„Was tut sich unter deinem schönen Strohhut?“
„Du weißt es.“
„Weißt du es auch?“
„Ich nehme an, du zeigst dich mir, damit auch ich sehe.“
„Ich bin tatsächlich hier, weil du sehen willst.“
„Mahisha, warum definierst du dich nur über das, was andere anerkennen? Warum erlaubst du, dein Spiegelbild zu sein statt Du selbst, die Echte?“
„Es sind Scheiß-Spielregeln!“ murmelt Mahisha sichtlich erregt.
„Ja.“
Mahisha wischt sich erschöpft durchs Gesicht und schaut zum ersten Mal auf:
„Du bist auch…So schlimm ist es…!“
„Immer wenn du Dich über das definierst, was andere anerkennen, begibst du dich in eine andere Matrix als die, in der ich bin.“
„Aber du bist da.“
„Du liebst die Wahrheit, darum komme ich.“
„Möchtest Du, dass ich dich oft besuchen komme oder wählst du mit Dauerberechtigung zu sein, wo ich bin. ---?“
„Ich war da doch schon mal…“ murmelt Mahisha traurig.
Schweigend laufen sie über das trockene Gras.
„Du bist da. Aber du glaubst es nicht, “ korrigiert Lesley sie sanft aber nachhaltig.
„Du bist angekommen.“ Dann macht er eine ausladende Bewegung mit dem Arm, als wolle er die gesamte Vegetation einschließen. Alles andere schafft dir eine Trugwelt mit …giftigen Pflanzen. Diese Trugwelt existiert für dich nur durch Glauben an sie.“
„Bei denen die zu dir gehören geschieht alles durch Glauben.“
„Ja. Bei uns geschieht alles durch Vertrauen.“
„Ist diese wunderschöne Gloriosa giftig?“
„Sie ist es.“
„Du hast mir eine giftige Blume gegeben!?“
Mahisha schaut fragend auf. Aber sie hört nur noch eine Stimme tief in sich:
„Mahisha, entscheide dich. Du bist in menschlicher Gestalt, aber du bist kein Mensch. Diese Matrix ist dir zu eng. Sie quält deine Bestimmung.“
Mahisha zögert. Sie hört Johns Stimme, der sie zur Pflicht ruft.
Unendliche Bilder drehen sich in ihr. Geisterbahnartig tauchen Szenen und Situationen auf: „Du musst in dem schwarzen Buch lesen!“ – Du musst die Geschichten über ihn kennen.“ – „Du musst denen gehorchen, die dich über das schwarze Buch lehren.“ – Mit ein bisschen mehr Mühe, schaffst du das. Wir haben es auch geschafft!“ Versäum nicht die Zusammenkünfte!“
Mahisha setzt sich etwas müde auf einen Stein und wischt sich mit einem Stück Stoff ihres T-Shirts den Schweiß aus dem Gesicht.
„Du hast die Macht.“
Mahisha fühlt sich unendlich müde und beschließt etwas auszuruhen.
Mahisha träumt und sieht:
Schwarze Bücher, vermeintliche Geistliche und Schlangen stehen an jeder Ecke bereit sie zu erschrecken und sie in ein Korsett zu zwingen.“

„Sie verfolgen mich!“ ruft sie laut aus.

Mahisha erwacht und liegt in einem Krankenhausbett. Die schwarzen Schwestern lachen sie freundlich an: „Du warst zu lange unter der heißen Sonne! Man hat dich ausgetrocknet und verwirrt hergebracht.“
„Wo ist Lesley?“
„Es war niemand bei dir als man dich fand.“
Mahisha schaut auf den Strauß neben ihrem Bett: „Den hast du fest in der Hand gehalten.“
„Hallo Gloriosa!“ sagt sie matt.
„Ich richte dich etwas auf. Der Krankenhausgeistliche wird gleich hier sein.“
„John hat mich gerufen. Da hätte ich vielleicht gehen sollen, statt diesen Sparziergang zu machen…“ sinniert Mahisha noch etwas verunsichert.
Der Krankenhausseelsorger tritt in dem Moment ein.
Er begrüßt sie freundlich und setzt sich an ihr Bett: Er fragt sie nach ihrem Ergehen und redet dies und das, bevor er anspricht, was seine Pflicht zu sagen ist:
„Wir sind nicht hier zu unserem Vergnügen. Alle verirrten Seelen führt der gute Hirte wieder auf den Pfad des Lebens. So darfst auch du jetzt Vergebung empfangen….“
„Verzeihung“, Mahisha richtet sich kerzengerade im Bett auf und unterbricht den freundlichen Mann angewidert von dem Glibber der Worte: „Ich war mit IHM. Jetzt weiß ich es. Das muss der Pfad des Lebens gewesen sein.“
„Mein Kind, wovon reden Sie? Wer war bei Ihnen?“
Sie sprachen doch gerade von diesem guten Hirten, der uns auf dem Pfad des Lebens führt. Ich habe mit Ihm einen Sparziergang gemacht und Blumen gepflückt.“
In dem Augenblick fühlt Mahisha sich dumm und sackt kurz in sich zusammen. Gedanken tanzen im Zimmer, die jedes Wort von ihr ins Lächerliche ziehen.
„Er ist dort, wo Sein Wille getan wird“, bemerkt der Pater nun leicht ungeduldig über so viel Uneinsichtigkeit.
„Ich bin mir sicher, dass das was ich tat, bei allem Zweifel, die bestehen könnten, richtig war.“
„Die Sonne hat dir sehr zugesetzt, wie ich hörte.“ Der Geistliche greift nach Mahishas Hand und redet mit beruhigender Stimme weiter: „Hör zu, wenn wir uns etwas sehr wünschen, kann es sein, dass wir meinen, es wäre da…“
„Was ist, wenn er tatsächlich da war?“
Der Geistliche scheint einen Augenblick zu stutzen, lächelt dann aber, so als hätte er beim Schachspiel eine Möglichkeit entdeckt die Spielfigur des gegnerischen Spielers unabwendbar anzugreifen und fährt fort:
„Dann hätte er dich wohl an deine Pflichten erinnert. Er hätt dir gesagt: Geh und sei John eine gute Hilfe dabei, Menschen für die Übereinstimmung zu finden“
„Euer Ehren, meinen Pflichten komme ich gerne nach. Aber dies gehört nicht zu meinen Pflichten.“
„Wir müssen dort sein, wo er uns hin ruft.“
„Besser hätte ich es jetzt auch nicht sagen können“, sagt Mahisha weise und schweigt diesmal. Bitte gehen Sie jetzt. Ich will noch etwas ausruhen.“
Mahisha fällt in einen Erschöpfungsschlaf, als sie langsam aufwacht und ins helle Licht blinzelt, spürt sie Abelinas Gegenwart.
junge-Frau-mit-Blume-im-Bett

Hallo lieber Leser, an der Stelle geht es in ungefähr einer Woche weiter... Gönnt Euch was und genießt das Leben, denn Ihr seid der Wahrheit ganz nah gekommen.
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