Sonntag, 17. Juli 2011

27. Die Sache mit der Wahrheit

Der-Blick-ins-andere-Land

Mahisha, kann Lesley mit ihren sichtbaren Augen nicht mehr sehen. Wie er gekommen ist, so ist er auch wieder verschwunden.
Voller Dankbarkeit macht Mahisha sich nun wieder auf den Heimweg. Längst ist sie, wie so oft, von Kindern umringt.
Singend und lachend kommt sie den Pfad zum Haus hoch - an jeder Hand ein Kind.

John kommt ihr verschwitz und aufgeregt entgegen:
„Mahisha, wo steckst du nur? Überall suche ich dich! Statt dich an die Vereinbarung zu halten, amüsierst du dich mit den Kindern…! Wollten wir nicht noch Leute finden, die mit uns übereinstimmen? Ach, hast du eigentlich eine Ahnung, wo meine Gitarre hingekommen ist?“

„Hallo, John! Nein, habe ich nicht.“

„Was hast du nicht?“

„Ich habe keine Ahnung, wo deine Gitarre sein könnte.“

Mahisha schaut John aufmerksam an. Irgendwie sieht er müde und angespannt aus:

„John, du bist sehr eifrig…“

„Klingt ja schon fast wie ein Vorwurf. Was ist nur mit dir los? Bedeutet dir das hier alles nichts mehr?“

Mahisha schweigt weise dazu.

„Für wen tust du das alles, John? Wir könnten es doch einfach schön haben.“

John schüttelt den Kopf. „Ich verstehe dich nicht mehr!“
„Wir sehen uns dann nachher, “ ruft er noch im Gehen.

„Man sieht es jedem Menschen an, wofür er sich entschieden hat.“ sagt Lesley und setzt sich auf seinen gewohnten Platz auf der Veranda.

Mahisha dreht sich zu Lesley um:
„Da bist du ja wieder! Ich kenne keinen außer dir, der so etwas sagt, ohne zu verurteilen…
Lesley, sag mal, ist Selbstbestimmung wirklich Mündigkeit? Mir kommen Zweifel...“

"Selbstbestimmung ist gut, weil es den Mut beinhaltet eigene Entscheidungen zu treffen."

Wieder lacht Lesley, so als wenn eine tiefe Freude ihn flutet:
„Die Mündigkeit kommt aus der Übereinstimmung mit mir, weil die Liebe dann alles wieder herstellt. Erst hier findet sich der Mensch und beginnt authentisch zu handeln. Endlich.“

Mahisha steht auf und umarmt Lesley wortlos.

„Früher hätten dich solche Aussagen wütend gemacht. Heute umarmst du sie."
Die Vögel werden mit einem Mal leise und ein böiger Wind kommt auf. Die warme Luft hat sich tagsüber am Boden gesammelt. Nun steigt sie auf.
„Spürst du diesen warmen Wind?“
„Ja, er kündigt ein Gewitter an.
Komm, Mahisha, lass uns durch den warmen Regen laufen.“
„Ja, das mag ich…“
„Ich auch.“

„… und John? Sollte ich ihm nicht helfen?“

"Das ist die Sache mit der Mündigkeit."

Lesley schaut Mahisha einfach eine Weile schweigend an. Dann sagt er nur:
„Sicher, wenn du gehen willst…“

Mahisha schüttelt energisch den Kopf:
„Würde ich jetzt gehen, ich würde die Gemeinschaft mit dem Leben verlassen, um etwas zu tun, was für immer im Abgrund der Bedeutungslosigkeit verschwindet.“

„Viel unerfreulicher, alles was in diesem Antrieb geschieht, begibt sich in direkte Konfrontation mit der Wahrheit. Dieser Antreiber der selbstgefälligen Frömmigkeit bietet sich gerade denen an, die es besonders ernst meinen. Mr. Antreiber arbeitet nicht in meinem Auftrag.“

Man hört einen lauten Donnerschlag.

„Ich nehme an, dass er von der anderen Seite angeheuert wurde. Ein Geheimagent, der sich so gut getarnt hat, dass er für einen echten Auftraggeber gehalten wird.“ Mahisha scheint angestrengt nachzudenken.
„Wie soll ich es John nur sagen, was ich hier von dir erfahre?“
"Wer die Wahrheit will, sucht ihre Nähe."
Lesley schaut in die Ferne und beginnt zu sprechen:
„Die Wahrheit befreit. Aber sie braucht meistens keine Worte um ihre Wohltat zu vollziehen. Es ist eine Kraft, die gelebt wird. Dann entfaltet sie ihre ganze Energie. Wenn du John mit der Wahrheit beschießt, missbrauchst du die Wahrheit als Waffe deiner Ungeduld. Es wird ihn wütend machen, und er wird dich als Feind orten.“

„Es würde eine Lebenslüge ins Wanken bringen…“ wirft Mahisha ein.
"John ist keine Zielscheibe für die Wahrheit. Wahrheit wird nicht gegen jemand eingesetzt. Sie eröffnet ein Angebot. Sie ist dein Leben.

„Du meinst, sie ist in meinem Waffenschrank nicht enthalten? Irgendwie habe ich es immer so gesehen, dass ich einen Waffenschrank verwalte. Aber jetzt ist gerade sonnenklar, dass das Unsinn ist.“

Lesley lacht und schiebt mit der Schuhspitze einen kleinen Tausendfüßler zur Seite.
„Die Kreuzzüge sind doch vorbei, oder?“

„Äh, jetzt schon. Also dann einfach leben. Wieder ist es so einfach, dass ich es ohne dich verworfen hätte, “ resümiert Mahisha ganz entspannt von Lesleys glücklichem Lachen.

„Es gibt nur eine Möglichkeit: Geh weiter. Vertrauen hält dich in Bewegung. Jeder Schritt der gegangen ist, bringt mehr Licht und wird für mehr Leute erkennbar.“
Der Regen hat Mischas Haar mittlerweile völlig durchnässt und tropft von einzelnen Strähnen.

„Aber es scheint so, als ob man mich den Weg nicht einfach gehen lässt.“

„Befindet sich das, was dich aufhalten will tatsächlich auf deinem Weg?“

„Vielleicht nicht.“

„Komm, ich zeig dir was!“ Sofort befindet sich Mahisha wie in einer Art Wachtraum. Sie ist ganz wach und kann dennoch in eine augenscheinlich andere Welt sehen. Sie sieht einen leuchtenden Weg, auf dem sie sich erkennt. Sie geht sicher, hoheitsvoll und liebesgewiss. Da fällt ihr Blick auf eine Gestalt am äußersten Wegesrand. Die Person ist ganz zerlumpt, mit starken Seilen gebunden und fast blind. Mahisha bleibt tief bestürzt stehen, denn sie erkennt, dass es auch eine königliche Gestalt ist - nur wenige Schritte vom sonnendurchfluteten Pfad getrennt. Die zerlumpte Kleidung lässt die adelige Herkunft auch in diesem Zustand noch erkennen. Ihr Herz ist bewegt. Als sie näher kommt, hört sie, wie der Mann sie beschimpft und laut Lügen über sie ausruft. Dann beginnt er in ihre Richtung zu spucken.
Mahisha sieht sich um und sieht Lesley noch immer am gleichen Ort stehen. Langsam gehen sie weiter. Mittlerweile ist auch die Kleidung durchnässt von dem warmen Tropenregen.
„Ich kenne diese Person. Oft war ich wütend darüber, dass sie sich so feindselig verhält und andere aufhetzt, “ beginnt Mahisha dann wieder.
„Nun bist du ihm sehr böse?“ erkundigt sich Lesley.
„Nein, das kann ich nicht. Ich habe deine Liebe zu ihm gesehen.
Könnte ich ihm nicht meine Kleidung geben?“

„Das würde ihm nicht helfen. Die königliche Kleidung und das königliche Erscheinungsbild zeigen in dieser Welt, wie sehr du dem Gesandten vertraust und dein Denken umgewandelt ist. In dem Maße bist du in Autorität gekleidet.“

„Ich kann ihm nicht helfen?“

„O, doch, es gibt etwas. Denk an das Einfache.“

„Ich will es tun“, sagt sie dankbar bei der Aussicht, etwas tun zu können für diesen Mann.

"Du hilfst ihm am meisten, wenn du unbeirrbar weitergehst und deinen Blick auf den Gesandten ausgerichtet hältst, denn er ist jeden Schritt, den du gehst schon gegangen.“

„Ich würde so gerne etwas für ihn tun!“ ruft Mahisha immer noch von der Not überwältigt aus, “ so als hätte sie Lesley nicht richtig verstanden.

Lesley nimmt Mahishas Kopf sanft in seine Hände, so dass sie ihn ansehen kann:
„Jeder Schritt, den du gegangen bist, hinterlässt Spuren, die andere finden können. Nur weil der Gesandte diesen Weg ging, kannst du ihn gehen und so ist es geblieben. Berufene gehen den Weg und je mehr folgen, desto heller und besser erkennbar wird er für andere. Auch du bist eine Gesandte.“

„Ich komme mir so weggestoßen vor mit meinem Erbarmen oder so.“

Lesley lacht: "Nein, nein, das bist du nicht. Das ist doch nur billige Selbstgefälligkeit. Du hältst gerade die falsche Identitätskarte hoch.
Könntest du mal schauen, ob du da nicht noch eine andere hast?"

Mahisha durchkramt ihre Taschen, dann schaut sie Lesley glücklich an: "Ich hab sie jetzt."
„Mahisha, das ist ein Foto von mir.“
„Ja.“
Lesley lächelt und beginnt dann erneut zu sprechen:
„Das Erbarmen aus der Seele wird nur Schaden anrichten, darum wird es zurückgewiesen. Aber was dann bleibt, wenn du vertrauensvoll folgst, ist eine tiefe Entschlossenheit den Weg zu gehen. Das ist die Liebe.“

„Gut, ich verstehe... und Lesley…“

„Ja?“

„Ich bin sehr glücklich über diesen Tag! Danke!“
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