6. Die Begegnung

„He, jetzt lies nur eifrig in diesem dicken, schwarzen Buch. Da freut er sich der Mungu.“ sagt man ihr und sie tut es, weil sie ihn so gerne noch einmal treffen würde. Manchmal ist es auch so, als wenn ein Hauch seines Daseins durch den Raum zieht, wenn sie so an ihn denkt oder bestimmte Sachen aus dem Buch liest.
An einem unvergesslichen Tag, schlägt sie dieses große, sehr schwarze Buch auf und liest:
„Ich bin das Leben!“ Die Buchstaben scheinen sich wie aus einem Betongrab aus dem Buch zu erheben und im Raum zu tanzen: lebendig und echt.
Als ich so abgemagert war wie ein lebendes Gespenst – das warst du nicht! Sie lügen, die mir das immer und immer wieder sagten!“
Atemlos liest sie weiter.
„Ich bin das Leben. Wer zu mir kommt, wird sehend.“
Zum ersten Mal erlebt sie, wie quicklebendig die Worte sind, die sie liest. Worte sind also nicht einfach eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Worte sind die Botschaft eines Geistes. Worte sind Geist. Sie spürt, was sie noch lange nicht ausdrücken können wird.
„Ich weiß, was du damit meinst. Ich weiß. Ich weiß, “ sagt sie flüsternd und lächelt. „Dann warst du es also wirklich.“
Sie weiß es genau: Mungu ist nicht aus dem Buch gekommen. Er kam wie von der Weite des Universums und fand einen Landeplatz – direkt im Herzen einer unbedeutenden, sterbenden jungen Weißen in den trostlosen vergessenen Savannen Ostafrikas. Mahisha nimmt einen roten Stoff mit kleinen Sternen und bittet den Schneider im Dorf ihr einen Einband für das schwarze Buch zu nähen. Wenn sie jetzt in diesem Buch mit rotem Einband liest, erkennt sie manchmal, dass es von Ihm berichtet oder auch, dass Er selbst es ist.
Dann ruft sie laut: „Wer das hier geschrieben hat, der ist!“
Dann trifft sie ihn eines Tages wieder oder meint sie es vielleicht nur?
Emma Schatzberg - 23. Apr, 09:51