9. So wie du

„Na, ich kann es kaum erwarten, was Mungu denn nun so begehrt…“

Aufmerksam lauscht sie den Worten dieses Fremden.

„Die Liebe drängt es, sich auszudehnen. Sie möchte immer Gleichstarkes hervorbringen. Sie lebt aus dem Berauschung des Gebens.“

„Aber wie soll das gehen?“

„Es geht eben nicht. Jahrhunderte lang konnten wir das sehen.“

„Du bist nicht gekommen, um mir von einer Sackgasse zu berichten…“

Lesley fährt ruhig fort:
„ Seine Art kann sich nur in seine Söhne hinein geben.“

„Ich sehe schon den Steckbrief: „Söhne für das Erbe gesucht.“ bemerkt Mahisha leicht amüsiert und fast hätte sie gedacht einen guten Witz gemacht zu haben.

„Übrigens, gemeldet hat sich keiner.“ sagt Lesley ruhig und redet dann weiter:

„Als die Zeit zum Bersten reif war, kam jener Gesandte.“

„Hört sich an wie ein Krimi.“

Lesley winkt ab „ermüdend dagegen.“ Dann fährt er fort:
„Weil er sich nur in den Söhnen multiplizieren kann, schuf er Söhne.“
„Mungu hat selbst eh, ...sagen wir gezeugt?!?“
„Richtig! Es sind Wesen, die auf dieser Erde laufen, aber ganz und gar Göttersöhne sind. Sie sind wie Er. In allem ihm gleich. Aber sie können sich jeden Tag entscheiden, zu welcher Welt sie gehören wollen.“

„Mungu erschafft Söhne, damit er …“ Mahisha wagt den Gedanken kaum zu Ende zu denken. Ein leichtes Beben erfasst sie erneut.

Lesley erhebt sich und geht ein paar Schritte. Sein Blick verliert sich in der unendlichen Weite der Buschlandschaft: „Die Liebe kommt nie um zu nehmen.“

"Mungu wurde bisher missverstanden?!?"

Lesley nickt:
„Alle Verehrung blieb bedeutungslos, weil wir ihm nicht vertrauten und weil wir ihm nicht vertrauten, verstanden wir seine Botschaft nicht. „Aber Du hörst, weil Du liebst. Würdest du erkennen, wer er ist, würdest Du aufhören, ihn so zu verehren, wie du es noch tust.“
Lesley fährt mit scharfem Eifer fort:

„Viele vergöttern ihn, weil ihnen diese selbstgefällige Kriecherei einen Kick gibt und es entpuppt sich als gekonntes Gaunerstück. Wer so mit sich beschäftigt ist, muss nie anerkennen, dass er selber ist, was er da so eifrig verehrt...“

„Ich hielt Knien immer für eine Haltung von Demut.“

„Es ist nicht mehr als Selbstbefriedigung.“

„O, die Kirchen verurteilen Onanie.“

„Haben sie je gefragt, was ich verurteile?“

Mahisha lässt die Kraft der Worte auf sich wirken, ohne richtig zu verstehen, was Lesley genau meint. Aber das stört sie für den Augenblick nicht. Zu sehr genießt sie den Strom, der sich mit seinen Worten ergießt. Fast begierig nimmt sie alles davon auf.
Dann hört sie nur noch Hekima sprechen:

„Mahisha, du begehrst etwas, was ist es?“

„Ich möchte so sein wie du – ich glaube, dass ich bereit bin zu glauben, dass ich wie du bin, mein großer Bruder...“stammelt sie.
Hekima lacht so glücklich und sagt: „Nur die Liebe kann so antworten. Schau, du hast die höchste Form der Verehrung gewählt und bist dabei nicht auf die Knie gegangen.“

Mahisha nickt.

„Völlige Verehrung führt in totale Identifikation.“

„Es führt in Wesensgleichheit.“

„Dann bleibt nichts wie es war.“

Dann beugt er sich etwas vor und sagt:
„Mahisha, nur weil wir so aussehen, wie alle anderen, sind wir noch nicht so. Da schlägt ein anderes Herz in uns, unser Gehirn empfängt andere Signale. Wir sehen und riechen sogar anders.
Von Ihm gingen wir einst aus, und er sandte uns in diese fremde Welt. Aber Er versprach, ein Gen mit einer Grundinformation über die Herkunft in uns zu legen, das sich gleichsam erinnert und den Zustand der Gleichheit immer sucht, sozusagen als Garantie gegen Vergessen, Vereinsamen und Verwahrlosen.
Und Er sagte: Geh nur! Ich werde Dich rufen und Du wirst mich erkennen durch allen Staub und Nebel hindurch, der dich dann bedeckt haben wird.“

Dann hört man eine Stimme, die zum Abendbrot ruft.
Mahisha erhebt sich erst, als die Einladung zum Essen unüberhörbar wird - sichtlich bewegt von so vielen Neuigkeiten, die sie eigentlich schon immer geahnt hat. Aber diese Worte sind anders – so als wenn es nicht nur Klänge seien. Mahisha genießt Lesleys Anwesenheit während des ganzen Abends. Das er da ist, ist das eigentliche Festmahl.

So wie er gekommen ist, ist er dann auch wieder weg. Aber diesmal weiß sie, dass sie nie wieder getrennt sein wird.

So wie er gekommen ist, ist er dann auch wieder weg. Aber diesmal weiß sie, dass sie nie wieder getrennt sein wird.

Es vergehen ein paar Tage oder vielleicht auch Wochen.

Mahisha sitzt vor einem Blatt Papier und schreibt eifrig, was es zu tun gibt an diesem Tag. Den Bericht fertig schreiben, ins Dorf gehen… Viele Dinge stehen dort.
Es ist feucht-heiß. In der feuchtheißen Hitze fühlt man sich fast wie in einem Dampfkochtopf. Das Thermometer ist auf die üblichen 37 ° geklettert. Sie wischt sich den klebrigen Schweiß von der Stirn und seufzt leise, als eine Hand sie von hinten berührt:
„Ist es viel?“
„Nein, wie immer“.
„Was sind es für Dinge, Liebes?“

„Na, so Dinge, die nur ich tun kann oder muss…“
„Da steht gar nichts von Flugunterricht…“ grinst jener erwartungsvoll auf ihre Reaktion.
„Fliegen kann ich einfach nicht, auch wenn ich es mag“, sagte sie schon mit ganz leicht gereiztem Unterton durch die Störung.
Sie dreht sich mit Schwung auf ihrem Schreibtischstuhl um und will sich gerade erkundigen, ob es noch eine Frage zu beantworten gibt, damit diese Ermittlungen ein Ende haben, da sieht sie in die Augen von Lesley. Tief und klar sehen sie sie an als er ruhig und scheinbar völlig unbeeindruckt von der Hitze fortfährt:

„Du orientierst Dich jeden Tag an den Dingen, die du kannst und leihst Dir aus diesen Dingen Sicherheit.“

„Ja, das macht man so“, sagt Mahisha zögernd – wohl schon den Steilpass, den sie gerade liefert, witternd. „Das ist so. Das wird so gemacht. Jeder macht es so….“

„Dann besteht dein Dasein darin, dass du täglich tust, was du tun kannst und am Abend zufrieden auf dein Tagewerk zurückschaust?“

„Nein….Ja. Warum hört sich das so schrecklich an, wenn du es sagst?“
Mahisha wendet sich wieder ab und murmelt:
„Es sind Dinge, die ich ohne dich plane und tue, weil ich sie schon immer so getan habe!“

„Mahisha, warum wendest du dich ab, während du es sagst? Ich stelle fest, weil ich für dich bin. Da ist nicht mal der Dunst eines Vorwurfes.“

„Ich höre die Worte strenger Geistlicher. Ich glaube, ich fühle mich irgendwie so eine Art von ertappt.“

„Dann war es nicht mehr als Manipulation, was du erlebt hast. Aber sag, was meinst du mit ertappt?“

„Gibt es dieses Wort in deinem Vokabularium gar nicht?“

„Mir fehlt das Wortverständnis dafür. Ich kenne es nur, weil du es gebrauchst.“
„Aber du kanntest dieses Wort mal?“
„Wann hat die Identität eines Mbingunis begonnen?“ Lesley schaut Mahisha erwartungsvoll an.
„Als Mungu ihn aus Geist zeugte, da hat sein Leben begonnen.“
„Ja!!!“ Das ist es. Lesley dreht sich fröhlich im Kreis und klatscht in die Hände.
„Aber auch das stimmt: Ich kannte dieses Wort bis ich erkannt wurde von der Liebe.“

Langsam wendet sich Mahisha wieder der Liebe zu, und sie merkt, wie schwer es ihr diesmal fällt. Sie schaut Lesley in die Augen:
„Ich schaue dich an und weiß, dass ich Dinge tue, die Tag für Tag in einem Abgrund von Bedeutungslosigkeit verschwinden. Zumindest die meisten Dinge…. Mir wird schlecht. Da erhebt sich was aus dem dunklen Loch während wir sprechen. Warum interessiert dich das überhaupt?“ sagt sie mit einem fast versteckten Unterton von Verstimmung.

Lesley schaut sie freundlich an, während er ihr den Nacken massiert.

„Ist echt sein und nackt sein das gleiche?“

„In mir beobachtest und bewertest du deinen eigenen Zustand nicht mehr, weil du wirklich bist, gibt es nichts hinzuzufügen.“

„Es gibt nichts – rein gar nichts zu verbessern?“
Ein Blick in Lesleys Gesicht bestätigt diese Aussage.

„O, ich wusste gar nicht, wie verspannt ich bin“, sagt Mahisha und bewegt den Kopf testend hin und her.

„Du hast es erst gemerkt, als ich dich berührt habe.“

„Hm, du hast Recht. Aber es war mehr befreiend als schmerzhaft. Schau mal, jetzt kann ich meinen Kopf fast in alle Richtungen drehen….“

„Na, das wäre dann mehr als vorgesehen ist, “ sagt Lesley sichtlich amüsiert und beide beginnen befreit zu lachen, weil es sich ein kleiner Wendehals auf dem Fenstersims bequem gemacht hat, um ein paar Ameisen aufzupicken. Dann dreht er seinen kleinen Kopf eifrig in alle Richtungen, um alles genau zu erspähen.

„Lesley, so schnell wurdest du mir vertrauter als es je ein Mensch war. - Es gibt nichts hinzuzufügen! Du könntest das einfach immer wieder sagen…“

„Ich werde es dir so oft sagen, wie du es hören musst.“

„Warum sind die Menschen nicht einfach immer nackt geblieben?“

„Vielleicht liebe ich die Kreativität der Modemacher... - Warum bist du, Mahisha, nicht einfach so wie du bist?“

„…ohne dich geht da nichts. Die Einführung ins Menschsein scheint eine sorgfältige Einführung in ein großes Versteckspiel zu sein. Das nennt man glaube ich Erziehung. Wer sich schön durchnudeln lässt, den nennt man am Ende lebenstüchtig.“

Beide deuten einen Vorgang des Übergebens an und lachen dann laut. Dabei weicht ein kleiner dunkler Nebel. Das kann aber nur der geübte Betrachter erkennen.
Keiner sagt mehr ein Wort.

„Ich hörte von dir und kannte dich nicht. Darum tat ich es. Mein Leben lang versteckte ich mich. Muss nicht jeder, der dich nicht wirklich kennt bei diesem elendigen Spiel mitmachen und sich einführen lassen, wenn er durchkommen will? Jede Religion ist so… Sie hilft Feigenblätter anzufertigen und kommt mit immer neuen Kreationen raus.“
„Nie war mir klar, dass ich mich immer vor Dir versteckte. Scheint ein recht altes Problem zu sein.“

„Der Mensch tat es erst, als er eine Wahrnehmung von sich selbst bekam.“

„Aber hattest du ihn denn nicht nackt erschaffen?“

„In der vollkommenen Einheit mit mir, gibt es keine Selbstwahrnehmung – also auch keine Wahrnehmung von Entblößt sein.“

Mahisha gibt einen leisen Pfiff des Erstaunens von sich:
„Der Vollkommene braucht keine Selbstkontrolle und du, wie ist es bei dir?“
„Ich mag die vollkommene Einheit sehr und erwähle sie täglich.“
„Als der Schutz der vollkommenen Harmonie weg war, hatte der Mensch die Wahl. Aber er folgte dem Drang sich vor der Liebe zu verstecken und zu schützen. Immer wenn du in die schamvolle, anklagende Selbstwahrnehmung gezogen wirst, schau dir den Baum an, von dem du genascht hast.“
Außerhalb von mir herrscht Königin Verlassensangst. Sie ist die Mutter aller Ängste und treibt merkwürdige Blüten der Unfreiheit.“
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