11 Mein Gott, so einfach!
Es vergehen Wochen und Monate und schließlich ein paar Jahre.
Mahisha wird Krankenschwester, warum weiß sie auch so genau nicht. Die Arbeit im Krankenhaus macht ihr Spaß, aber fordert sie auch täglich heraus. Viele Schwerkranke Menschen werden gebracht. Immer der gleiche flehende Blick in den Augen: „Bitte hilf uns!“ Dann denkt sie oft: „Ich kann euch, weiß Gott, nicht helfen. Aber vielleicht tut es der Mungu.“
Kinder werden geboren und viele sterben oder werden mit AIDS geboren. Mütter trauern. Alte Frauen stimmen Klagegesänge an. Viele vertrauen den Medizinmännern, die aber nicht immer helfen können. Einigen hilft die Medizin. Aber es sterben immer noch Viele und Mahisha gibt sich die Schuld dafür und diese Schuld wird fast unmerklich zum Antreiber.
So gibt Mahisha jeden Tag alles und hat doch nie das Gefühl, dass es genug ist. Zahlreiche Anfälle von Sumpffieber schwächen schließlich ihren eigenen Körper. Die Farbigen sagen, es sei die schlechte Luft dran schuld, die aus den Sümpfen steigt. Nacht für Nacht erhebt sich dieser Nebel aus den Sümpfen und dringt in die Häuser der Schutzlosen.
Hierzulande ist diese Krankheit auch als Malaria bekannter.
Schließlich zerstören die raubgierigen Erreger die roten Blutkörperchen bei Mahisha, die doch eigentlich „Leben“ heißt. Das starke Abfallen der roten Blutkörperchen zeigt sich in ihrem Gesicht als fahle Blässe und tiefen Ringen unter ihren Augen. Immer wieder tut sie einen tiefen Atemzug, so wie ein Fisch, der zu lange außerhalb des Wassers war. Die feuchtschwüle Luft verschafft ihr nur wenig Erleichterung.
Mahisha wird zu Beginn fast unmerklich von Tag zu Tag schwächer und verliert die Freude an der Arbeit.
Der ortsansässige Pater besucht sie und erklärt ihr, sie habe ein Burn-out-Syndrom, und sie solle sich etwas mehr Ruhe gönnen. Sie schleicht bald wie ihr eigener Schatten durch die Tage und wieder wird sie so krank, dass sie nicht mehr arbeiten kann.
Der Kampf in ihr scheint einen sichtbaren Ausdruck gefunden zu haben.
Manchmal denkt sie noch an jene merkwürdige Begegnung mit dem unbekannten
Vertrauten. Aber jede Erinnerung an IHN schmerzt, so dass sie jedem Gedanken, der sie beschwichtigt, gleich Einlass gewährt.
Dann flüstert sie eines Tages, als ihr Herz rast und sich etwas wie ein Stahlpanzer um ihre Brust legt:
„Bitte, hilf mir! Die Angst bringt mich um! Bitte verlass mich nicht ganz!“ schluchzt sie.
Die Seele klagt wie ein verlassenes Kind.
Dann lauscht sie aufmerksam in die Dämmerung hinein. Aber vergebens. Keine vertraute Stimme, kein Kuss auf die Stirn, kein leichtes Wehen. All das hat sie sich jetzt so sehr gewünscht.
Aber dann nimmt sie sie wieder wahr: die aufgeladene Atmosphäre. Da ist doch wieder der vertraute Windzug.
Sie spürt sie Arme um sich, die sie halten. Die Angst verliert ihren klammernden Griff.
Sie sieht niemand, aber sie hört IHN irgendwo in sich sprechen:
„Ich bin das Leben. Verlassenheit ist bloß ein Bote aus der Hölle.“
„Bitte sag mir, gibt es für mich einen Becher des Leids zu trinken? Neulich hörte ich das in der Kirche, und es geht mir nicht mehr aus dem Sinn.“
„Mahisha, ich bringe immer alles zu Ende.“
„Du hast diesen Kübel des Leids also bereits bis zur Neige geleert?“ grinst Mahisha matt, aber unendlich glücklich, diese Stimme wieder zu hören. Und dabei sieht sie, wie Er Schluck um Schluck in sich aufgenommen hat, was diese Welt entartet und entstellt hat: jedes Geschwür, jede Wucherung, jede Stoffwechselerkrankung, jede Erbkrankheit, jede Vergiftung, Depression, Minderwertigkeit und Zwangsvorstellungen war dabei und den Nebel aus den Sümpfen, jede auch noch so kleine oder große Plage. Jede Plage, die er in sich aufgenommen hatte, schrumpfte sofort und verlor an Kraft.
“ Hakima, mein Gott!“
„Für die, die mir vertrauen, bleibt nichts mehr zu erdulden.“
„Dann bleibt nicht mal ein Tropfen für mich?“ Mahisha denkt nach: “Aber ich habe gelitten seit ich dich kenne.“
„Das Leid besteht darin, mir nicht ganz und gar zu vertrauen. Du hast das Gute kennengelernt und wolltest dich nicht ganz darauf einlassen.“
„Das zieht Sumpfgeister an. - Dann reicht es jetzt“, sagt Mahisha dankbar für die eingekehrte Ruhe.
„Ja, es reicht für alles und jeden.“
„Du gehst nie wieder?“
„Du bist mein begehrtester Aufenthaltsort.“
Mahisha schweigt eine Weile.
„Mir ist so, als wusste ich das schon mal. Und doch ist es mir zu unglaublich schön.“
„Als du mich wegschicktest, bist du in einen Lügenhagel geraten. Alles was du als Wahrheit erkannt hast, aber keine Rolle für dein Leben spielt, hat noch zu wenig Substanz, gegen die Lügen zu bestehen.“
„Hakima, meine einstigen Weggefährten Angst und Minderwertigkeit sind unbedeutende Schrumpfwesen - Pappmaschees?“ Mahisha lacht, wie über einen sehr, sehr guten Witz.
Diese Freude beleidigt die Pappgesellen so sehr, dass sie eilig das Weite suchen.
„Teile ihnen mit, dass du sie nicht mehr haben willst und dann entzieh ihnen ihre Daseinsberechtigung.“
„Wie kann ich das?“
„Sie brauchen deine ernsthafte Aufmerksamkeit, deine Besorgnis oder deine feste Überzeugung, dass sie einen Auftrag in dir zu erledigen haben. Das sind ihre Stricke.
„Aber die Stricke erhalten sie dann ja von mir…“
Lesley nickt und fährt fort:
„Wenn du das nicht glaubst, überleben auch nicht die hartnäckigsten. Manche werden schneller ausgehungert. Bei anderen geht es langsamer. Aber der Entzug ihrer Nährstoffe beginnt immer sofort mit deiner Entscheidung. Das musst du wissen.“
„Mein Gott, so einfach!“
Mahisha wird Krankenschwester, warum weiß sie auch so genau nicht. Die Arbeit im Krankenhaus macht ihr Spaß, aber fordert sie auch täglich heraus. Viele Schwerkranke Menschen werden gebracht. Immer der gleiche flehende Blick in den Augen: „Bitte hilf uns!“ Dann denkt sie oft: „Ich kann euch, weiß Gott, nicht helfen. Aber vielleicht tut es der Mungu.“
Kinder werden geboren und viele sterben oder werden mit AIDS geboren. Mütter trauern. Alte Frauen stimmen Klagegesänge an. Viele vertrauen den Medizinmännern, die aber nicht immer helfen können. Einigen hilft die Medizin. Aber es sterben immer noch Viele und Mahisha gibt sich die Schuld dafür und diese Schuld wird fast unmerklich zum Antreiber.
So gibt Mahisha jeden Tag alles und hat doch nie das Gefühl, dass es genug ist. Zahlreiche Anfälle von Sumpffieber schwächen schließlich ihren eigenen Körper. Die Farbigen sagen, es sei die schlechte Luft dran schuld, die aus den Sümpfen steigt. Nacht für Nacht erhebt sich dieser Nebel aus den Sümpfen und dringt in die Häuser der Schutzlosen.
Hierzulande ist diese Krankheit auch als Malaria bekannter.
Schließlich zerstören die raubgierigen Erreger die roten Blutkörperchen bei Mahisha, die doch eigentlich „Leben“ heißt. Das starke Abfallen der roten Blutkörperchen zeigt sich in ihrem Gesicht als fahle Blässe und tiefen Ringen unter ihren Augen. Immer wieder tut sie einen tiefen Atemzug, so wie ein Fisch, der zu lange außerhalb des Wassers war. Die feuchtschwüle Luft verschafft ihr nur wenig Erleichterung.
Mahisha wird zu Beginn fast unmerklich von Tag zu Tag schwächer und verliert die Freude an der Arbeit.
Der ortsansässige Pater besucht sie und erklärt ihr, sie habe ein Burn-out-Syndrom, und sie solle sich etwas mehr Ruhe gönnen. Sie schleicht bald wie ihr eigener Schatten durch die Tage und wieder wird sie so krank, dass sie nicht mehr arbeiten kann.
Der Kampf in ihr scheint einen sichtbaren Ausdruck gefunden zu haben.
Manchmal denkt sie noch an jene merkwürdige Begegnung mit dem unbekannten
Vertrauten. Aber jede Erinnerung an IHN schmerzt, so dass sie jedem Gedanken, der sie beschwichtigt, gleich Einlass gewährt.
Dann flüstert sie eines Tages, als ihr Herz rast und sich etwas wie ein Stahlpanzer um ihre Brust legt:
„Bitte, hilf mir! Die Angst bringt mich um! Bitte verlass mich nicht ganz!“ schluchzt sie.
Die Seele klagt wie ein verlassenes Kind.
Dann lauscht sie aufmerksam in die Dämmerung hinein. Aber vergebens. Keine vertraute Stimme, kein Kuss auf die Stirn, kein leichtes Wehen. All das hat sie sich jetzt so sehr gewünscht.
Aber dann nimmt sie sie wieder wahr: die aufgeladene Atmosphäre. Da ist doch wieder der vertraute Windzug.
Sie spürt sie Arme um sich, die sie halten. Die Angst verliert ihren klammernden Griff.
Sie sieht niemand, aber sie hört IHN irgendwo in sich sprechen:
„Ich bin das Leben. Verlassenheit ist bloß ein Bote aus der Hölle.“
„Bitte sag mir, gibt es für mich einen Becher des Leids zu trinken? Neulich hörte ich das in der Kirche, und es geht mir nicht mehr aus dem Sinn.“
„Mahisha, ich bringe immer alles zu Ende.“
„Du hast diesen Kübel des Leids also bereits bis zur Neige geleert?“ grinst Mahisha matt, aber unendlich glücklich, diese Stimme wieder zu hören. Und dabei sieht sie, wie Er Schluck um Schluck in sich aufgenommen hat, was diese Welt entartet und entstellt hat: jedes Geschwür, jede Wucherung, jede Stoffwechselerkrankung, jede Erbkrankheit, jede Vergiftung, Depression, Minderwertigkeit und Zwangsvorstellungen war dabei und den Nebel aus den Sümpfen, jede auch noch so kleine oder große Plage. Jede Plage, die er in sich aufgenommen hatte, schrumpfte sofort und verlor an Kraft.
“ Hakima, mein Gott!“
„Für die, die mir vertrauen, bleibt nichts mehr zu erdulden.“
„Dann bleibt nicht mal ein Tropfen für mich?“ Mahisha denkt nach: “Aber ich habe gelitten seit ich dich kenne.“
„Das Leid besteht darin, mir nicht ganz und gar zu vertrauen. Du hast das Gute kennengelernt und wolltest dich nicht ganz darauf einlassen.“
„Das zieht Sumpfgeister an. - Dann reicht es jetzt“, sagt Mahisha dankbar für die eingekehrte Ruhe.
„Ja, es reicht für alles und jeden.“
„Du gehst nie wieder?“
„Du bist mein begehrtester Aufenthaltsort.“
Mahisha schweigt eine Weile.
„Mir ist so, als wusste ich das schon mal. Und doch ist es mir zu unglaublich schön.“
„Als du mich wegschicktest, bist du in einen Lügenhagel geraten. Alles was du als Wahrheit erkannt hast, aber keine Rolle für dein Leben spielt, hat noch zu wenig Substanz, gegen die Lügen zu bestehen.“
„Hakima, meine einstigen Weggefährten Angst und Minderwertigkeit sind unbedeutende Schrumpfwesen - Pappmaschees?“ Mahisha lacht, wie über einen sehr, sehr guten Witz.
Diese Freude beleidigt die Pappgesellen so sehr, dass sie eilig das Weite suchen.
„Teile ihnen mit, dass du sie nicht mehr haben willst und dann entzieh ihnen ihre Daseinsberechtigung.“
„Wie kann ich das?“
„Sie brauchen deine ernsthafte Aufmerksamkeit, deine Besorgnis oder deine feste Überzeugung, dass sie einen Auftrag in dir zu erledigen haben. Das sind ihre Stricke.
„Aber die Stricke erhalten sie dann ja von mir…“
Lesley nickt und fährt fort:
„Wenn du das nicht glaubst, überleben auch nicht die hartnäckigsten. Manche werden schneller ausgehungert. Bei anderen geht es langsamer. Aber der Entzug ihrer Nährstoffe beginnt immer sofort mit deiner Entscheidung. Das musst du wissen.“
„Mein Gott, so einfach!“
Emma Schatzberg - 25. Apr, 04:00