Mittwoch, 18. Mai 2011

18. wo die Liebe gedeiht

Mahisha denkt an den kleinen Matu, dem sie heute den Verband wechseln wollte. Er war nicht einverstanden und rief immer: „Selber machen!“ Sie schaute ihm eine Weile zu beim unbeholfenen Versuch sich selber einen Verband anzulegen und hörte dabei die vertraute Stimme in sich:
Schau, so sind meine Kinder. Sie rufen immer „Selber machen!“, obwohl sie eigentlich der Unmündigkeit längst entwachsen sind. Kinder haben Freude am Ausprobieren. Darum ließest du Matu gewähren. Bei vielen meiner Kinder liegt das anders, sie fürchten sich mir zu vertrauen. Das ist ein Unterschied.“
„Aber dieser verdammte Unterschied ist die Ursache für die zerstörerischsten Auswirkungen aller Zeiten: Feldzüge, Misshandlungen, Missbrauch, Bestechlichkeit, Tod. Alles kam daraus hervor.
Wenn es einen Kampf gibt, dann geht der ums Vertrauen.“

Lesley kommt die hintere Einfahrt reingefahren und begrüßt sie mit einem breiten Lachen.
„Du hast das richtig erkannt“, sagt er während er sich einen Stuhl ran zieht.

„Warum so, Lesley?“

„Es ist um der Liebe willen. Alles geschieht um der echten Liebe willen.“

„Manche Antworten liebe und hasse ich zugleich.“

„Ich hole mir noch etwas zu trinken aus der Küche, soll ich dir etwas von dem Limonensaft mitbringen.“ Mahisha merkt, dass sie den Gang in die Küche jetzt braucht.
„Sehr gerne.“
Als sie zurückkommt, schweigen beide.
Dann beginnt Lesley langsam zu reden, so als dürfe von diesen Worten nichts auf den harten Lehmboden tropfen und versickern:
„Was den höchsten Wert hat, setzt sich der schlimmsten Form des Missbrauches aus.
Liebe gedeiht nur auf dem Boden der Freiheit….“
Für meinen Geschmack bewegt sich die Liebe da zu dicht am Missbrauch. Jede Annäherung an die Liebe, die ich ja schon in mir spüre, macht mir Angst vor mir selbst. Fast will ich die Liebe in diesem Packet nicht haben.“
„Du nimmst das Packet an, aber du öffnest es nicht.“

„Diese Freiheit verwirrt mich. Wie kann ich dann überhaupt sicher sein?“
Mahisha wartet Lesleys Reaktion gar nicht erst ab:
„…und damit nehme ich doch mit der echten Liebe einen Weg der gleichsam nur wie hoch über einer gefährlichen Schlucht gefunden wird – ständig vom Absturz bedroht, ständig umworben von der unauffälligsten Fälschung. --- Hast du viele Leute diesen Weg gehen sehen, Lesley?“

„Nein, es sind nicht viele.“ Lesley macht eine Pause. „Aber es werden sehr viele sein.“
Mahisha scheint das nicht mehr gehört zu haben.

„Das ist nicht fair…“ „Mein, Gott!“ „Eine schmale Gradwanderung. Nur ein dünnes Brett oder vielleicht auch nur ein Seil über einer gefährlichen Schlucht. Was willst du von uns?“ Ruft sie heiser und enttäuscht in die Nacht.
Mahisha fühlt sich so, als wenn jemand die Messlatte unerreichbar hoch aufgelegt hat und bei jeder ernsthaften Anstrengung ruft: Diese Messlatte liegt zu hoch für dich. Sie springt auf und verschwindet in der Nacht. Alles würde sie für das Ziel geben zu lieben. Dann erfährt sie, dass jede Anstrengung zu schwach ist und das Gratispacket zu heiß.
Als es in ihrer aufgewühlten Seele ruhiger wird, hört sie die warme, weiche, vertraute Stimme:
„Mahisha! Komm!“
Langsam biegt sie wieder in den Pfad zur elterlichen Veranda ein. Lesley sitzt noch genauso in seinem Stuhl und scheint die Sterne anzustarren.

„Lesley, wenn du die Sterne weiter so anstarrst, könnte einer runter kommen wollen.“
Beide lachen und Lessley greift nach Mahishas Hand.

Er reicht ihr ein Schälchen mit Papayaeis.
„Das mag ich, wo hast du das so schnell herbekommen? -- Was ist nun mit diesem ewigen Kampf um die Liebe? Also ich habe nicht gelernt über ein Seil zu gehen. Es gehört einfach nicht zu den Dingen, die ich kann, “ sagt sie nun etwas abgekühlt, das zitronige Papayaeis auf der Zunge langsam zergehen lassend.

„So siehst du es nur, solange du noch gegen die Eigensucht kämpfst und ihre zerstörerische Auswirkung fürchtest. In meiner Liebe ist diese Angst nicht. Meine Liebe ist der sicherste Ort überhaupt.“
Lesley beugt sich leicht vor: „Der Sieg der Liebe hat schon stattgefunden. Ich habe dich herausgerissen aus diesem furchtbaren Schlachtfeld der Anklage.“
„Ich kämpfe nicht mehr gegen eigenwillige Tendenzen?“
„Nööö, dann würdest du ja gegen mich kämpfen. Mal ganz ehrlich: Tust du das?“ sagt Lesley und lehnt sich dabei ganz entspannt zurück.
„Nein, niemals!“
„Dann ist doch alles klar.“ Lesley bleibt dabei entspannt zurückgelehnt.
Langsam hat Mahisha genug von dieser Lässigkeit. Sie beugt sich vor und schaut Lesley genau an:
„Lesley, ich weiß, dass du sehen kannst und wenn du sagst, das ich dort nicht mehr bin, dann ist es so. Aber, sieh doch, viele kämpfen dort – manche ihr Leben lang.“
„Ja, sehr viele.“
„Mahisha, was würde passieren, wenn man einen Porschemotor an ein Dreirad anbringt?“
„Es wäre der sichere Tod.“
„Wer sind diese Dreiradfahrer?“
„Die, die immer hören und nie vertrauen und tun. Sie kennen weder die Liebe noch die Kraft. Sie verhalten sich wie Unmündige.“
„Und weil du sie liebst, gibst du ihnen Dreiräder…“
„Mahisha, du läufst im richtigen Modell. Alls passt. Fahr doch mal aus. Gib doch mal Gas und lebe! Warum machst du dir Gedanken um verrottete Plätze deines Herzens, wenn es sie nicht mehr gibt? Es sind nur noch Trugbilder aus einem alten Film.“
„So einfach kann es nicht sein. Dann würde es jeder wollen.“
Nicht jedem gefällt es, dass es so einfach ist. Weißt du noch, wie es dir selber vor einiger Zeit ging? Umsteigen tun nur die, die glauben, dass es so einfach ist, wie es eben ist.“
Irgendein Gedankengebäude kommt gerade heftig ins Wanken und stürzt krachend ein.
Aus der Tiefe ihres Seins löst sich ein „Ahh!“ und damit verlässt sie eine gewisse Schwere.
„Ich glaube, ich hatte meine Stellung auf diesem Gedankengebäude bezogen, statt einfach in dir. Darum wurde ich so wütend und fühlte mich selber vom Einsturz bedroht.“
Lesley lacht sie fröhlich an und gibt ihr einen Kuss, dann verschwindet er so unauffällig wie er gekommen ist.
Mahisha weiß, das er nicht wirklich fort ist. Sie schließt die Augen und genießt diese Gegenwart, die schon längst nicht mehr mit Worten zu beschreiben ist.
Dann beschließt sie, immer zuerst das ganz einfache für richtig zu halten.

Mahisha wird von Tag zu Tag stärker und genießt das Leben wie noch nie. Alles, was sie anschaut erscheint ihr von unendlicher Schönheit. Dabei merkt sie selber nur kaum, wie ihre eigene Schönheit und Abstrahlung immer mehr zunimmt.
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