Sonntag, 8. Mai 2011

14. Der Erlkönig

Am nächsten Tag erwacht Mahisha mit einem Lied:
Unleise singt sie:
„Das ist Freiheit…“
"Hodi, darf ich reinkommen? Ich hörte dich singen."
"Ah, Luca, komm nur." Mahisha begrüßt den frühen Besuch freudig. Luca und sie arbeiten gemeinsam im Spital.
„Wenn du jetzt wieder gesund bist, dann kannst du uns ja bei der vielen Arbeit im Spital helfen. Ich sag das nur, weil es wirklich richtig viel ist und ich bald nicht mehr kann. So ausgeruht wie du fühle ich mich zumindest nicht…Außerdem sind wir beide doch auch hier um den Menschen zu helfen.“ redet Luca etwas unbeholfen rum.
„Ich erwarte noch Besuch. Ich werde hier draußen auf der Veranda auf meinen Besuch warten. Danach werde ich kommen.“ sagt Mahisha locker, flockig und leicht, so wie sie es viele Male bei Lesley beobachtet hat. Als Mahisha aufschaut sieht sie in 2 wutentbrannte Augen: „Was glaubst du, wer du bist?“ platzt es aus der sonst so ruhigen Luca heraus.
„Wir arbeiten bis zum Umfallen…Keiner erlaubt es sich Besuch zu empfangen an einem normalen Freitagmorgen.“
„Kannst Du mir mal bitte die Telefonnummer von deinem Chef geben? Ich glaube, es gibt einiges zu besprechen.“
„Jetzt machst du dich auch noch über mich lustig.“
„Nicht wirklich.“
„Ich dachte, wir sitzen im gleichen Boot. Aber du kommst mir irgendwie so vor, als seist du ausgestiegen oder hat die Krankheit dich so verfremdet?“
Luca nimmt sich vor, Mahisha genauer zu beobachten. Denn eine gewisse Wesensverfremdung konnte ein alarmierendes Zeichen sein nach einer schweren neurologischen Erkrankung.
„Irgendwie kenne ich deinen Standpunkt... In welchem Auftrag tust du es, Luca?“ fragt Mahisha ruhig.
„Eure Heiligkeit weiß doch wenigstens das noch!“
„Was ist, wenn dieser Auftraggeber ein Hirngespinst der menschlichen Vorstellungen ist?“
Mahisha steht langsam auf und geht einen Schritt auf Luca zu:
"Was ist, wenn du deinem Auftraggeber begegnest und mit jeder Begegnung feststellen müsstest, dass alles ganz anders ist?"
Luca schaut Mahisha ungläubig mit weit aufgerissenen Augen an.
„Was ist, wenn die Kranken und Sterbenden echt sind?“
„Luca, wir werden den Kranken weiterhin helfen. Aber die Lösung ist in einer anderen Welt zu finden und sie ist viel umfassender. Ich sitze keinesfalls untätig rum.“
Luca scheint die letzten Worte nicht gehört zu haben:
„Das wird Folgen haben, Frau Abgedreht. Die Krankheit hat dich merkwürdig gemacht!“ sichtlich aufgebracht stapft Luca aus dem Haus.
Mahisha nimmt alles wie eine Art Bühnenstück wahr – zum ersten Mal erscheint es ihr fremd.
Einen Augenblick unternimmt sie den Versuch, sich mit Luca zu identifizieren, aber es gelingt ihr nicht mehr. Es ist so, als wenn Licht versuchen würde ein wenig finster zu sein, um die Finsternis zu verstehen. Licht vertreibt überall und souverän jede noch so große Dunkelheit völlig mühelos und das völlig ohne Kampfgeschrei.

Plötzlich hört sie eine ruhige Stimme, die sie aus ihren Gedanken schleudert:
„Kannst du dich an den Lilac erinnern?“
„Ja, sehr gut.“
Lesley ist gekommen und bleibt einen Augenblick stehen:
„Schau, da ist wieder einer unserer Freunde.“
Der Lilac wippt mit seinem Schwanz und schaut quicklebendig von einem zum anderen. Lesley und Mahisha schauen dem vorwitzigen Auftreten einen Augenblick zu.
„Im puren Sein liegt so eine Anziehungskraft.“
„…weil es vollkommenes Vertrauen ist.“ ergänzt Lesley Mahishas Gedanken.
Lesley schüttet ihr ein Glas Orangensaft ein und auch der Lilac bekommt etwas Wasser aus der der Hohlhand.
„Ich will hören was Du sagst, aber da ist so ein Gefühl von ….“
„Was?“
„…von Unzulänglichkeit – es ist eigentlich immer da. Ich komme mir vor, wie ein fehlerhaftes Modell.“
„Gut, dann müssen wir es bedecken.“ Mahisha schaut neugierig zu, wie Lesley die Blumen zur Seite stellt und dann das Tischtuch vom Tisch nimmt.
„Jetzt wären ein paar Abschiedsworte angebracht…“, murmelt Lesley zu undeutlich für Mahishas Ohren.
Dann legt er das Tischtuch über Mahisha und sagt: „Ich habe noch nie etwas mit Mangel erschaffen….“
Mahisha rührt sich nicht und bleibt einfach still unter dem Tuch sitzen. Es entspricht irgendwie ihrer Vorstellung, dass fehlerhafte Modelle nicht sichtbar sein sollten.
„Könnten wir doch einfach die Zeit zurückdrehen.“ Mahisha seufzt. „… und noch mal ansetzen bei diesem wunderbaren funkelnagelneuen Modell, perfekt geschaffen und ohne Knautschzonen. Ein Leben ohne Sicherheitszone. Das wäre was!“

„Ich bin einverstanden“. sagt Lesley fast ein wenig unangebracht feierlich.
„Wann sollen wir es tun?“
„Was tun?“
„Wann soll dieser neue fehlerlose Typ in Erscheinung treten?“
„Warum eigentlich nicht gleich jetzt? Mahisha kneift die Augen ganz fest zu, als wenn sie kurz vor einer spektakulären Zeitreise stehe, dann hört sie Lesley wieder reden:

„Meine Damen und Herren, sehr geehrte Schöpfung“, hört sie Lesley sagen, so als wenn er auf einer Bühne stünde: „Heute möchte ich ein völlig neues, absolut makelloses Modell vorstellen. Das gab es nie zuvor. Es ist ein Prototyp und das Herrlichste was diese Welt je zu sehen bekommt. Hier ist ein Erlkönig der Marke „neuer Mensch“!“

Die Atmosphäre ist so geladen, als wenn Millionen Köpfe sich in diesem Augenblick vorrecken, um besser sehen zu können, was sich an jenem Ort zu ungewohnter Stunde ereignet.

Man hört einen heftigen Wind um das Haus ziehen.
Nun zieht Lesley die Decke von ihr. So als würde er Mahisha präsentieren.

„Du meinst mich? Führst du mich vor oder …“

„Hörst du diesen blauen Planeten applaudieren? Heute hörst du es noch nicht. Aber du wirst es hören: deutlicher und deutlicher. Ich habe dich tatsächlich vorgestellt, Malkia.“
Mahisha richtet sich aus ihrer etwas gebeugten Haltung auf und schüttelt leicht mit dem Kopf:

„Es berührt mich, aber es kommt mir eher wie ein Märchen vor, das ich mir gerne noch viele Male anhöre.“

Lesley schaut ihr gerade ins Gesicht: „Die Zeit des Anhörens ist vorbei und Märchen gibt es nicht. Das Leben war schon immer schöner als jedes Märchen.“
„Lesley breitet die Tischdecke sorgfältig wider über den Tisch und stellt die Blumen in die Mitte.“ Mahisha folgt jeder Handlung aufmerksam.
„Jetzt hat dich die Wirklichkeit eingeholt und du bist mitten drin.“ Ein liebevoller Knuff trifft sie in die Seite und sie lacht und lacht und lacht, während sie durch gekitzelt wird. Dieses Lachen verscheucht schließlich auch noch die kleinste dunkel Wolke.
„Okay, lass uns eine Bestandsaufnahme machen“, sagt sie schließlich keuchend.
„Wir halten fest: Es ist also alles echt.“ Dann beginnen sie wieder gemeinsam zu lachen bis die Bauchmuskulatur schmerzt.
"Was sind das nur für Könige, die auf ihren Thronen sitzen und lachen?!"

Das war es dann für heute! Morgen wird sicherlich eine neue Erinnerung durchziehen und sich ein wenig mit der besten Realität aller Zeiten vermischen.
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