Samstag, 23. April 2011

7. Der Unbekannte

Meine schöne Nichte am Strand
Wenn du glaubst, ich habe mir das alles ausgedacht, dann hör hier lieber auf zu lesen. Andere Dinge könnten dir mehr Freude machen...
Aber wenn du folgen magst, dann lass uns jetzt weiter gehen:

Sie liest gerade in einem Buch, als er durch die Tür kommt und sie zur Begrüßung leicht auf die Stirn küsst. Es ist ein farbiger Mann mit glühenden Augen. Er ist von den Eltern zum Essen eingeladen worden. Sie starrt ihn an und weiß, dass er anders ist. Wieder strömt diese bekannte Wärme in sie hinein.
Die Eltern sprechen von dem Regen und der Ernte und so dies und das. Kaum hört sie richtig zu. Zu sehr hat dieser Fremde ihr Interesse geweckt. Er hört interessiert zu und stellt Fragen. Aber von sich erzählt er nichts. Man fragt ihn auch nicht. Also schweigt er taktvoll, obwohl Mahisha spürt, dass er viel zu sagen hätte.
So kommt und geht er wieder.

Mahisha kann diesen farbigen Mann mit den glühenden Augen nicht mehr vergessen. Sie hofft ihn wieder zu sehen.

Dann ist er eines Tages ganz unverhofft wieder da. Mahisha weiß, dass er da ist noch ehe sie ihn sieht.

„Wo wohnst Du“, fragt Mahisha etwas überrascht und hätte fast erwartet, dass er geantwortet hätte: „Ich komme von den Sternen.“

Er sagt: “Mein Name ist Lesley. Ich bin der, dem Du vertraust. Nur weil Du mir vertraust, hast Du mich erkannt. Viele erkennen mich nicht. Sie laden mich ein und wir verbringen einen Abend zusammen, aber sie sehen nur, was vor Augen ist und denken, ich sei ein Mensch, wie sie es sind.“

„Dann bist Du wohl ein Art Voodoo-Priester, ein eingeweihter Mittler – ein Übersetzer der Absichten Mungus. Da ist so viel Kraft mit Deinem Erscheinen, wie ich sie hier nur bei den Geistheilern erlebt habe.“

„Einen Mittler braucht nur, wer selber nicht kommt.“ sagt Lesley einfach.

Mahisha mustert den Fremden jetzt noch interessierter. Wer ist er?

6. Die Begegnung

Meine schöne Nichte am Strand
„He, jetzt lies nur eifrig in diesem dicken, schwarzen Buch. Da freut er sich der Mungu.“ sagt man ihr und sie tut es, weil sie ihn so gerne noch einmal treffen würde. Manchmal ist es auch so, als wenn ein Hauch seines Daseins durch den Raum zieht, wenn sie so an ihn denkt oder bestimmte Sachen aus dem Buch liest.

An einem unvergesslichen Tag, schlägt sie dieses große, sehr schwarze Buch auf und liest:

„Ich bin das Leben!“ Die Buchstaben scheinen sich wie aus einem Betongrab aus dem Buch zu erheben und im Raum zu tanzen: lebendig und echt.
Als ich so abgemagert war wie ein lebendes Gespenst – das warst du nicht! Sie lügen, die mir das immer und immer wieder sagten!“

Atemlos liest sie weiter.

„Ich bin das Leben. Wer zu mir kommt, wird sehend.“
Zum ersten Mal erlebt sie, wie quicklebendig die Worte sind, die sie liest. Worte sind also nicht einfach eine Aneinanderreihung von Buchstaben. Worte sind die Botschaft eines Geistes. Worte sind Geist. Sie spürt, was sie noch lange nicht ausdrücken können wird.

„Ich weiß, was du damit meinst. Ich weiß. Ich weiß, “ sagt sie flüsternd und lächelt. „Dann warst du es also wirklich.“
Sie weiß es genau: Mungu ist nicht aus dem Buch gekommen. Er kam wie von der Weite des Universums und fand einen Landeplatz – direkt im Herzen einer unbedeutenden, sterbenden jungen Weißen in den trostlosen vergessenen Savannen Ostafrikas. Mahisha nimmt einen roten Stoff mit kleinen Sternen und bittet den Schneider im Dorf ihr einen Einband für das schwarze Buch zu nähen. Wenn sie jetzt in diesem Buch mit rotem Einband liest, erkennt sie manchmal, dass es von Ihm berichtet oder auch, dass Er selbst es ist.
Dann ruft sie laut: „Wer das hier geschrieben hat, der ist!“

Dann trifft sie ihn eines Tages wieder oder meint sie es vielleicht nur?

5. wie Auferstehung

Meine schöne Nichte am Strand
Dankbar bin ich, während ich schon wieder mit einer Tasse Kaffee hier sitze für kleine Erinnerungen. Es wird immer jemanden geben, für den es bedeutsam wie ein Schatz ist. Manchmal ist da eine Erinnerung, verschwommen oder klar. Dann gebe ich dieser lebhaften Erinnerung eine Sprache und geb mich zufrieden, wenn Geist und Schrift sich verbinden.
Komm, ich zeig dir, wie es weiterging:

Als sie ganz sicher ist, dass der Besuch beendet ist, ruft sie so laut sie kann nach jemand, der im Haus sein muss. Rafiki steckt seinen Kopf zur Tür rein und fragt flachsend, wie er es so oft tat um sie ein wenig abzulenken:
„Na von den Toten auferstanden?“
„Rafiki, ich freue mich so dich zu sehen“, sagt sie etwas zu überschwänglich.
Rafiki bleibt gewöhnlich im Türrahmen stehen, um nicht von den Totengeistern berührt zu werden, wie er es nennt. Aber heute kommt er einen Schritt in den Raum rein und kratzt sich am Hinterkopf….
„Rafiki, bitte bring mir etwas Richtiges zu trinken. Ich kann wieder trinken!“
Rafiki sagt irritiert: „ Der große Zauberdoktor bekam Angst als er dich sah. Da dachte ich, du stirbst. Eijajeijaja!“ Da sagt Rafiki gewöhnlich nur, wenn er sich gar nicht mehr auskennt.
„Hör zu…“, fleht sie ihn an.
„Hast Du vor, mich hier verdursten zu lassen?“
„Die Götter müssen ….“ hört sie ihn noch murmeln, als er etwas panikartig den Raum verlässt.
Mahisha bekommt mit, wie er nach einem der größeren Kinder ruft: „Daudi, komm her!“
Ein etwa 14 jähriger Junge taucht mit einem halben Glas Orangensaft in der Hand im Türrahmen auf.
„Hodi“, sagt er breit grinsend und etwas unsicher.
„Karibu, komm nur rein. Erschreck dich nicht, ich sehe wohl aus wie eine hagere Spukgestalt. Was hat er dir dafür gegeben, dass du es mir bringst?“
Daudi zuckte mit den Achseln und verlässt den Raum eilig und sichtlich bestürzt wieder.
Mahisha setzt sich im Bett auf und trinkt das halbe Glas gleich aus, dann schläft sie noch einmal fest ein.
Als sie aufwacht sieht sie eine Schar Kinder, wie sie sich die Nase am Fliegengitter platt drücken.
Dann hört sie das laute Schimpfen von Rafiki: „Haut jetzt ab!“
„Nein, nein. Schick sie nicht weg. Sie sind gekommen, um das Leben zu begutachten. Lass sie nur. Sie spüren das Besondere.“

So beginnt es, Mahishas neues Leben. Von Tag zu Tag nimmt sie mehr an Kraft zu, bis sie völlig gesund ist. Am dritten Tag nach dem Erlebnis verlässt sie zum ersten Mal das Krankenzimmer.
Dann werden die Abstände immer größer.
Sie erzählt das Erlebnis nicht vielen, weil sie spürt, dass man es ihr ein wenig ausgeredet oder sie belächelt hätte.
Einmal sagt jemand, nachdem sie nur eine kurze Andeutung machte:"Wir wissen, dass du viel durchgemacht hast..."
Nun gut, mag man darüber denken, was man möchte, aber eines ist klar, der Mungu ist schließlich von den Sternen runtergekommen und hat sie in ihrem Zimmer besucht. Sie weiß ganz sicher, sie wird ihn wieder treffen. So schaut sie oft mit weit in den Nacken gelegtem Kopf in den Sternenhimmel – erwartend.

4. Der Kuß

Traum

Ich scheine noch immer jedes Detail dieses Alptraumes abrufen zu können:

Hyänen versuchten sie zu zerfleischen. Sie kamen immer näher, ohne dass sie in der Lage gewesen wäre weg zu laufen oder um Hilfe zu rufen. Das Fletschen der Hyänen wirkte sehr bedrohlich und Todesangst legte sich wie eine Schlinge um ihren Hals.
Immer, wenn sie dachte, jetzt hätte sie eine Hyäne erreicht, schrie sie laut. Schließlich stellte sie zitternd fest, dass einfach gar nichts passierte. Im Traum geschah es dann, dass sie mit einem Mal ihren Körper sehen konnte und da sah sie es deutlich: Sie ist in ein Licht gehüllt. Nichts Lichtscheues ist in der Lage, dieses Licht zu betreten, um zu ihr zu gelangen und das allermeiste, was sie umgab, stellte sich als lichtscheu heraus.

Zu dem Zeitpunkt begann Mahisha zu wissen ohne es erklären zu können. Das was jetzt als Wissen in ihr war, berührte dann auch immer öfter die Sichtbarkeit. Manchmal sofort, manchmal auch erst nach Wochen oder Monaten. Der Traum war mehr als ein angstverzehrtes Bild der Seele. Zu der Zeit nannte sie das, was sie nicht einordnen konnte, genau wie die Eingeborenen "Mysterium".

„Mysterium, ich fühle, dass du es warst, der mich schützte. Ich wusste nicht, dass du so an mir interessiert bist, du ein bisschen weniger Geheimnisvoller. Warum hast du das nur getan?“ Sie weiß, dass der Dank gehört wurde und sie dreht sich auf die Seite und drückt sich in jenen geheimnisvollen Arm, der sie umgibt. Ein Lächeln liegt auf ihrem Gesicht. „Wie wichtig es doch ist, zu wissen, dass man beachtet ist.“ Es ist zu kostspielig einen Arzt einzufliegen, aber ein Allmächtiger ließ es sich was kosten vorbei zu schauen oder blieb er gar?
„Wer soll diese Rechnung nur bezahlen…?“ schäkert sie leise mit dem geheimnisvollen Unbekannten. Dann schläft sie fest ein, so ruhig wie schon lange nicht mehr.
Ein bisschen von der Minderwertigkeit, welches sich an jene heftet, die von Menschen vielleicht weniger beachtet werden, schien sich in einem Augenblick gleichsam einer kleinen dunklen Wolke zu verflüchtigen.

Zwei weitere Wochen vergehen, Mahisha durchlebt diese Zeit völlig unbekümmert oder vielleicht besser schwerelos. Sie hört wie man sagt: "Sie ist dabei für immer ins Koma zu fallen." Die Schmerzen haben nachgelassen und die Zeiten, an die sie sich noch bewusst erinnern kann, werden weniger. Man sagt ihr, dass sie oft nicht mehr ansprechbar sei oder berichtet ihr von Dingen, die sie gesagt oder getan haben soll, an die sie keine Erinnerung hat. Sie lächelt darüber. Weil Mahisha nie über ihre Erlebnisse redet, schaut man sie an, als sei sie dabei einer geheimnisvollen Zerstörung ihres Verstandes zu unterliegen.


Dann passiert das Unfassbare: Ganz unverhofft schiebt sich ein unsichtbarer Vorhang auf und Mahisha betritt noch einmal im vollen Bewusstsein die afrikanische Erde. Vielleicht ist es ein Außerirdischer von jenen Sternen, der gelandet ist, um ihr ein Gesundheits-Gen zu bringen. Vielleicht hat es diesen Allmächtigen gedrängt, sich ihr zu erkennen zu geben. Dieser vertraute Windhauch, dieser innere Zug, der sie unsichtbar mit der Unaufhörlichkeit verbindet, ist da.
Tränen laufen ihr über die Wangen und sie flüstert: „Ich weiß, dass du gekommen bist!“ Auch wenn ich dich nicht sehe. Ich weiß es. Eine warme, weiche Energie flutet den sterbenden Körper. Sie genießt es und liegt einfach nur da - lange. Dann spricht eine Stimme zu ihr: „Deine Zeit ist noch nicht gekommen! Ich möchte Dir noch so viel zeigen…Sehen sollst du, was andere unbedingt sehen wollten, aber nur verschwommen sahen.“
Das Herz klopft ihr bis zum Hals als sie allen Mut zusammennimmt, um eine Bitte zu äußern: „Bitte geh nicht. Ich würde dich gerne kennen lernen!“
Dann ist es ganz unerklärlich so, als wenn sie jemand leicht auf die Stirn küsst.

logo

Erfolgreich glücklich

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Web Counter-Modul

Aktuelle Beiträge

Die neue Welt
„Komm, es wird Zeit für die neue Welt.“ „Kein Problem,...
Emma Schatzberg - 30. Dez, 15:40
% image name="Landschaft-inBrasili en"...
% image name="Landschaft-inBrasili en" %>
Emma Schatzberg - 9. Sep, 23:57
% image name="Landschaft-inBrasili en"...
% image name="Landschaft-inBrasili en" %> (aufgenommen...
Emma Schatzberg - 9. Sep, 23:55
31. Liebe ist noch unbekannt
„Ich fühle so eine starke Liebe zu dir, Lesley.“ „Dann...
Emma Schatzberg - 25. Aug, 03:56
30. Denk immer höher
„Mahisha, komm wir gehen.“ Mahisha springt aus dem...
Emma Schatzberg - 15. Aug, 21:53

Links

Zufallsbild

schlafendes-Kind

Suche

 

Status

Online seit 5237 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 30. Dez, 15:40

Credits


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren