3. Kontaktaufnahme mit dem Mysterium
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Eines Abends beginnt sie es anders: „Das ist nicht nett von mir, dich schrecklich zu nennen“, sagt sie mit fieberrotem Gesicht. Aber ich kenne viele Geschichten über dich, und es interessiert dich auch nicht sehr, wenn einer langsam stirbt und keiner da ist der sich kümmert. Es interessiert dich nicht!“ Ihre leisen Worte klingen auf einmal so laut - hallen in ihr nach und enden in einem leisen Schluchzen.
„Nein, das stimmt nicht!“, schellt sie sich selbst. Im Hawakupata spricht man so etwas nicht aus. Man schiebt es in Abgründe von denen keiner weiß, wie tief sie eigentlich sind.
Mahisha kämpft sich weiter durch die Tage und die Nächte und schweigt. Es gibt zu jener Zeit keine Ärzte in dieser vergessenen Region. Man hätte mit dem Hubschrauber einen Arzt einfliegen müssen. Das wäre zu kostspielig, sagen die Eltern mit feuchten Augen. Aber einmal geschieht es doch: Ein Arzt betritt ihr Zimmer. Aber er schüttelt ratlos den Kopf, und so sieht sie ihn nie wieder. Leben ist in jener Zeit nicht viel wert.
Die Eltern haben ein ausgefülltes Leben mit vielen Projekten. Sie kommen nur kurz rein, außer am Spätabend. Mahisha ist es recht. Denn sie kommen nie allein an ihr Bett. Sie kommen immer mit diesem schemenhaften Scheusal, während sie nette Worte an ihrem Bett stammeln. Dann packt sie dieses Gefühl im Griff einer schicksalhaften Einflussnahme zu sein. Mahisha fühlt sich nicht mehr so recht wohl in ihrer Gegenwart und sieht lieber in das breite lachende Gesicht des Schwarzen, der die Dinge im Haushalt besorgt. Sie nennt ihn einfach Rafiki. Rafiki hat mit dem Hawakupata bisher keine Freundschaft schließen können, wie er es nennt. Er lacht und schwitzt viel. Mahisha mag diesen Schweißgeruch irgendwie. Hier ist es ein Geruch des Lebens.
Dann ist Mahisha so schwach, dass sie die Mutter weinen sieht und da weiß sie, etwas Schreckliches hat sich angekündigt. Mahisha ist tagelang nicht voll bei Bewusstsein und kann selber nicht mehr trinken. Sie bekommt eine Puppenflasche an das Bett gestellt, aus der sie es mühsam schafft, ein wenig Tee aufzunehmen, den sie meistens aber gleich wieder nach draußen befördert. Das ganze biologische System ist völlig entgleist. Alleine liegt sie dort, wie üblich in ihrem Zimmer, als etwas Unerwartetes geschieht. Mahisha schaut wieder hinauf zum Sternenhimmel und schließt dann die Augen. Nur, diesmal ist es anders. Alles, was mit den Augen und Ohren wahrnehmbar ist, verschwimmt. Diesmal weiß sie, dass die unendliche Weite in ihr ist. Arme umfangen sie angenehm in unendlicher Weite. Wie kann diese Welt so nah sein? Sie spürt, dass sie dabei ist ein großes Geheimnis zu entdecken. Immer deutlicher ist es. Ihre Gedanken können dies nicht mehr erfassen. Aber es ist ein Wissen tiefer als Gedanken.
Eines Abends als die Eltern gerade nicht da sind, hört sie Trommeln – nah, sehr nah. Als hätte man das Haus umstellt. Mit der Trommel bekämpft der Medizinmann böse Geister – so sagt man.
Ja, es müssen böse Geister sein, die Menschen das antun. Rafiki hat das erkannt.
„Warum hatte man ihr gesagt, dass Er, der große Mungu das alles eingefädelt hatte? War das Gute doch nicht nur gut?“
Mahishas Kopf schmerzt und sie hört Rafiki reden:
„Ich bringe dich zu dem mächtigen Zauberer da draußen. Er wird dir helfen! “ Mahisha schüttelt schwach den Kopf: „Rafiki, du würdest mich doch nie anfassen.“
Sie weiß, dass Rafiki sich immer im gebührenden Respektabstand zu ihr aufhält, damit der böse Geist nicht zu ihm rüber springen kann.
„Mahisha, du wirst sonst sterben!“ schreit er aufgeregt. „Das Mysterium der Weißen hilft dir nicht! Ich will nicht, dass du stirbst! Es ist doch jetzt egal.“ Tränen hinterlassen kleine Rinnen im Staub des schwarzen Gesichts und tropfen auf die weiße Schürze.
„Rafiki, du weinst ja! Du bist ein guter Mensch!“sagt Mahisha schwach und versucht dabei tapfer zu lächeln.
Vielleicht ist es gerade dieses Lächeln, dass Rafiki so entschlossen macht:
„Ich bringe dich raus und wenn ich selber dafür der Nächste bin… Heute ist dein Geburtstag."
"Dann bin ich jetzt 15..."
Mahisha ist so schwach, dass sie nur wieder den Kopf schüttelt. „Du meinst es wirklich gut, Rafiki, aber lass nur, …..ich habe keine Angst mehr…“
Jetzt steht Rafiki mit weit aufgerissenen Augen da, die Augäpfel bewegen sich in schnellem Tempo in den Augenhöhlen hin und her, während er eifrig fortfährt:
„Der große Mann da draußen sagt, dass er nicht zu dir kommen kann. Er kann dir nur helfen, wenn ich dich zu ihm bringe und er sagt, dass er dir helfen kann. Das Mysterium der Weißen sei zu schwach.“ Verbitterung schwingt in seiner Stimme.
Mahisha ist so unendlich müde: „Rafiki, das ist nicht gut.“ Sie schließt die Augen und atmet ungewöhnlich schwer. Da greifen 2 Arme nach ihr und tragen sie hinaus in die Dunkelheit. Sie bekommt es nicht mehr mit.
Als sie aufwacht, kann sie sich an nichts erinnern. Sie liegt schweißgebadet im Bett in ihrem Zimmer – so wie immer. Sie weiß nur, dass etwas geschehen ist. Sie hatte einen Traum.
Eines Abends beginnt sie es anders: „Das ist nicht nett von mir, dich schrecklich zu nennen“, sagt sie mit fieberrotem Gesicht. Aber ich kenne viele Geschichten über dich, und es interessiert dich auch nicht sehr, wenn einer langsam stirbt und keiner da ist der sich kümmert. Es interessiert dich nicht!“ Ihre leisen Worte klingen auf einmal so laut - hallen in ihr nach und enden in einem leisen Schluchzen.
„Nein, das stimmt nicht!“, schellt sie sich selbst. Im Hawakupata spricht man so etwas nicht aus. Man schiebt es in Abgründe von denen keiner weiß, wie tief sie eigentlich sind.
Mahisha kämpft sich weiter durch die Tage und die Nächte und schweigt. Es gibt zu jener Zeit keine Ärzte in dieser vergessenen Region. Man hätte mit dem Hubschrauber einen Arzt einfliegen müssen. Das wäre zu kostspielig, sagen die Eltern mit feuchten Augen. Aber einmal geschieht es doch: Ein Arzt betritt ihr Zimmer. Aber er schüttelt ratlos den Kopf, und so sieht sie ihn nie wieder. Leben ist in jener Zeit nicht viel wert.
Die Eltern haben ein ausgefülltes Leben mit vielen Projekten. Sie kommen nur kurz rein, außer am Spätabend. Mahisha ist es recht. Denn sie kommen nie allein an ihr Bett. Sie kommen immer mit diesem schemenhaften Scheusal, während sie nette Worte an ihrem Bett stammeln. Dann packt sie dieses Gefühl im Griff einer schicksalhaften Einflussnahme zu sein. Mahisha fühlt sich nicht mehr so recht wohl in ihrer Gegenwart und sieht lieber in das breite lachende Gesicht des Schwarzen, der die Dinge im Haushalt besorgt. Sie nennt ihn einfach Rafiki. Rafiki hat mit dem Hawakupata bisher keine Freundschaft schließen können, wie er es nennt. Er lacht und schwitzt viel. Mahisha mag diesen Schweißgeruch irgendwie. Hier ist es ein Geruch des Lebens.
Dann ist Mahisha so schwach, dass sie die Mutter weinen sieht und da weiß sie, etwas Schreckliches hat sich angekündigt. Mahisha ist tagelang nicht voll bei Bewusstsein und kann selber nicht mehr trinken. Sie bekommt eine Puppenflasche an das Bett gestellt, aus der sie es mühsam schafft, ein wenig Tee aufzunehmen, den sie meistens aber gleich wieder nach draußen befördert. Das ganze biologische System ist völlig entgleist. Alleine liegt sie dort, wie üblich in ihrem Zimmer, als etwas Unerwartetes geschieht. Mahisha schaut wieder hinauf zum Sternenhimmel und schließt dann die Augen. Nur, diesmal ist es anders. Alles, was mit den Augen und Ohren wahrnehmbar ist, verschwimmt. Diesmal weiß sie, dass die unendliche Weite in ihr ist. Arme umfangen sie angenehm in unendlicher Weite. Wie kann diese Welt so nah sein? Sie spürt, dass sie dabei ist ein großes Geheimnis zu entdecken. Immer deutlicher ist es. Ihre Gedanken können dies nicht mehr erfassen. Aber es ist ein Wissen tiefer als Gedanken.
Eines Abends als die Eltern gerade nicht da sind, hört sie Trommeln – nah, sehr nah. Als hätte man das Haus umstellt. Mit der Trommel bekämpft der Medizinmann böse Geister – so sagt man.
Ja, es müssen böse Geister sein, die Menschen das antun. Rafiki hat das erkannt.
„Warum hatte man ihr gesagt, dass Er, der große Mungu das alles eingefädelt hatte? War das Gute doch nicht nur gut?“
Mahishas Kopf schmerzt und sie hört Rafiki reden:
„Ich bringe dich zu dem mächtigen Zauberer da draußen. Er wird dir helfen! “ Mahisha schüttelt schwach den Kopf: „Rafiki, du würdest mich doch nie anfassen.“
Sie weiß, dass Rafiki sich immer im gebührenden Respektabstand zu ihr aufhält, damit der böse Geist nicht zu ihm rüber springen kann.
„Mahisha, du wirst sonst sterben!“ schreit er aufgeregt. „Das Mysterium der Weißen hilft dir nicht! Ich will nicht, dass du stirbst! Es ist doch jetzt egal.“ Tränen hinterlassen kleine Rinnen im Staub des schwarzen Gesichts und tropfen auf die weiße Schürze.
„Rafiki, du weinst ja! Du bist ein guter Mensch!“sagt Mahisha schwach und versucht dabei tapfer zu lächeln.
Vielleicht ist es gerade dieses Lächeln, dass Rafiki so entschlossen macht:
„Ich bringe dich raus und wenn ich selber dafür der Nächste bin… Heute ist dein Geburtstag."
"Dann bin ich jetzt 15..."
Mahisha ist so schwach, dass sie nur wieder den Kopf schüttelt. „Du meinst es wirklich gut, Rafiki, aber lass nur, …..ich habe keine Angst mehr…“
Jetzt steht Rafiki mit weit aufgerissenen Augen da, die Augäpfel bewegen sich in schnellem Tempo in den Augenhöhlen hin und her, während er eifrig fortfährt:
„Der große Mann da draußen sagt, dass er nicht zu dir kommen kann. Er kann dir nur helfen, wenn ich dich zu ihm bringe und er sagt, dass er dir helfen kann. Das Mysterium der Weißen sei zu schwach.“ Verbitterung schwingt in seiner Stimme.
Mahisha ist so unendlich müde: „Rafiki, das ist nicht gut.“ Sie schließt die Augen und atmet ungewöhnlich schwer. Da greifen 2 Arme nach ihr und tragen sie hinaus in die Dunkelheit. Sie bekommt es nicht mehr mit.
Als sie aufwacht, kann sie sich an nichts erinnern. Sie liegt schweißgebadet im Bett in ihrem Zimmer – so wie immer. Sie weiß nur, dass etwas geschehen ist. Sie hatte einen Traum.
Emma Schatzberg - 22. Apr, 19:11